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Vom Biersommeliere zum Suchtberater

Kurz bevor ich zu ex&hopp kam, habe ich eine Bier-Sommelière kennengelernt. Das ist eine Expertin für die Beurteilung von Bieren, wie man das auch bei Weinkennern kennt. Sie berät Gäste und Gastronomen und Interessierte über verschiedene Biersorten, kann amüsant berichten über die Geschichte und den Herstellungsprozess eines Bieres sowie Empfehlungen geben welche Biersorten zu welchen Speisen passen.

 

Die Biersommeliere war bei einer Bierverkostung, an der ich teilgenommen habe (mein einzig kulturelles Event im Pandemiejahr 2020 ;-)). Ich als leidenschaftliche Biertrinkering war völlig angetan von der Vielfalt der vorgestellten Biere, die golden, tiefdunkel oder sogar rötlich in den beschlagenen Gläsern schimmerten. Das Sachverständnis der Bierexpertin hat mich mega-beeindruck und ich dachte: Boah, was die macht, das will ich auch!

 

Und googelte nach der Ausbildung zum Bier-Sommelière. Meinem Bierbedarf mit einem Diplom eine Legitimation zu erteilen, erschien mir ziemlich erhaben und intellektuell. Heute verstehe ich, dass dies ein Versuch von mir war, meinem Konsum zu rechtfertigen.

 

Sicherlich ist das Brauereihandwerk eine Kunst für sich. Unter’m Strich ist Bier aber Bier. Und Bier ist ein alkoholisches Getränk. Und Alkohol ist nun mal Gift. Und es wird auch nicht ungiftiger, wenn man es mit viel Liebe, Erfahrung, Sorgfalt, Öko, Bio oder sonst wie braut. Es wird auch leider nicht gesünder, wenn es teurer, edler, aromatischer, hopfiger, cooler oder sonst wie daherkommt. Letztlich unterscheidet sich der 60€-Wein nicht vom 1€-Tetra-Pack. Nicht der 250€-Champagner vom 1,50€-Prosecco. Nicht das 4€-Craft-Bier von der 39-Cent-Bierdose. Die Wirkung der Droge ist die gleiche. Und, Hand-aufs-Herz, mir ging es eigentlich um die Wirkung!

 

Wir wollen uns mit besonders edlen Tropfen belohnen, uns was gönnen, uns was Gutes tun. 

Tatsächlich sollten wir wirklich ganz tief in uns hineinhorchen, ob uns der Alkohol wirklich gut tut – sowohl physisch als auch psychisch. Und uns fragen, was könnte uns stattdessen wirklich gut tun?

 

Wir sammeln schicke teure Whiskeys, Rums oder Gins als Statussymbol. 

Dabei sollten wir vielleicht mal ganz tief in uns hineinhorchen, was wir wem eigentlich beweisen wollen, und dass wir über so etwas Anerkennung und Zugehörigkeit erlangen wollen. Was könnten wir stattdessen tun, um mit anderen in Kontakt zu kommen?

 

Wir akademisieren unseren Konsum, indem wir uns Wissen über Produktion, Aromen, Geschichte und Preise der alkoholischen Produkte aneignen. 

Genauso gut könnten wir uns auch mit Statistiken mit den Folgen des Konsums befassen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung und die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. bieten interessantes Material. Wie würden wir die Getränke aus dem Blickwinkel heraus beurteilen?

 

Wir bilden uns ein, dass uns alkoholische Getränke besonders gut schmecken. 

Wir sollten uns hinterfragen, ob das wirklich stimmt. Wie war unser erstes Bier? Unser erster Wein? Unser erster Schnaps? Haben wir uns nicht alle geschüttelt? Und uns nicht einfach an den Geschmack gewöhnt? 

 

Nun, die Ausbildung zum Bier-Sommelière habe ich mir abgeschminkt. Stattdessen mache ich nun ein Fernstudium zum Suchtberater. Lustig, wie sich das Leben manchmal entwickelt. Hättest du mir das vor einem Jahr erzählt… ich hätte dir nen Vogel gezeigt ;-).

 

Corinna

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 Michael Weiger  /  ex&hopp - Alkoholfrei-Challenge