
Corinna und Abstinenz – das passt wohl für die meisten in meinem Umfeld so zusammen wie Eis und saure Gurken.
Corinna und Bier dagegen waren immer eine feste Einheit. Wie Bonnie und Clyde oder Batman und Robin.
Auf meiner ersten Party nach meiner Entscheidung für die Alkoholfrei-Challenge haben mir bestimmt fünf Personen direkt bei meiner Ankunft einen Drink in die Hand drücken wollen. „Wie, biste schwanger?“ Unglaublich, dass ich mich nicht mit ihnen betrinken wollte. Dadurch, dass ich seit meinem 16. Lebensjahr regelmäßig Alkohol konsumiert habe, war das Trinken irgendwie zu einem Teil meiner Identität geworden.
Zwischenzeitlich hatte ich schon mal eine längere Abstinenzphase (Babywunsch, Schwangerschaft, Stillzeit, Schwangerschaft, Stillzeit), in der ich wenig auf Parties und Trinkevents zu finden war. Meine Welt drehte sich damals nur um die kleine Familie. Nach dem Abstillen des zweiten Kindes durfte ich endlich wieder losziehen – und meine Umgebung feierte: „Corinna, endlich bist du wieder die Alte. Du warst ja gar nicht mehr du selbst.“ Jawoll, endlich war ich wieder da und soff die Männer unter den Tisch. Dieses plüschige hausmütterchenhafte Babyglück-Corinna stand eindeutig unter dem Einfluss diverser Hormone, so redete ich es mir ein.
Nun frage ich mich, ob ich in dieser Phase nicht vielleicht die wirkliche Corinna war – und in all den anderen Jahren versteckte ich mich und meine Unsicherheiten unter dem Mantel des Rausches. Seit der Challenge ist dieser Mantel weg und stehe nun nackig da – und darf nun rausfinden, wer ich denn bin. Denn vielleicht bin ich garnicht die Partymaus. Vielleicht bin ich garnicht die coole Socke, die es geil findet, im Suff verrückte Dinge zu tun. Möglicherweise bin ich garnicht so abenteuerlustig, verwegen und witzig.
Wie war ich denn vorher, bevor ich trank? Neulich bin ich über Fotos gestolpert von meinen Jugendfreizeiten. Auf einem Foto sehe ich eine 15-jährige entspannte Corinna, die mit den älteren Jugendlichen noch leidenschaftlich über deren Rauchverhalten diskutierte, die berühmt war für ihre Lachanfälle, von den Cocktails bestenfalls das Obst genoss, noch von ihrem ersten Kuss träumte und sich einfach nur freute, das erste Mal ohne Eltern im Urlaub zu sein. Auf einem anderen Foto ist Corinna 16, 10 kg schwerer, ultracool, raucht und säuft und trägt ein T-Shirt auf dem steht: „ich bin kein Mädchen für eine Nacht“ – ich erinnere mich, dass ich da jeden Abend mit nem anderen Typen rumgeknutscht habe, auf der Suche nach Aufmerksamkeit… oh Mann, was ist in dem Jahr dazwischen bloß passiert?
Der Alkohol bringt sicherlich andere Seiten in einem hervor – ob es die besseren sind, will ich bezweifeln. Nun finde ich heraus, wer ich ohne Alkohol bin, denn meine Challenge geht weiter. Die Herausforderung hat sich etwas gewandelt, denn ohne Alkohol auszukommen, fällt mir sehr leicht. Mich mir selbst zu nähern und meine Gefühle auszuhalten ist tatsächlich manchmal schwerer.
Ich finde aber, dass mir der neue Mantel der Nüchternheit unglaublich gut steht und auch ziemlich gut zu mir passt.
Ich bilde eine neue Einheit mit ihr, wie Hanni und Nanni.
Herzliche Grüße
Corinna
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