
Eigentlich ging es mir schon in jungen Jahren nicht gut mit dem Alkohol. Mein Problem war von Anfang an, dass ich mich super gerne betrunken habe – und dann habe ich oft das Ende nicht mehr gefunden.
Blackouts und Mega-Kater waren leider keine seltene Folge. Auch wenn das ganze Umfeld mitmachte und das offenbar auch nicht bedenklich fand… ich habe schon erkannt, dass mir diese Alkoholmengen schlicht nicht guttaten. Es müsste doch irgendwie hinzukriegen sein, wie bei allen anderen, die sich scheinbar ohne Folgen betrinken konnten…
Einmal, da war ich so ca. Anfang Zwanzig, hab ich all meinen Mut zusammengefasst und einen Arzt darauf angesprochen. Der sagte lediglich, ich solle in Zukunft „etwas besser aufpassen, damit es nicht Zuviel wird“ und notierte „Depressionen“ in die Krankenakte. Ich weiß noch, wie ich danach auf dem Parkplatz stand und mich schimpfte, weil ich offensichtlich aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hatte.
Mit Mitte zwanzig war ich mal im Gesundheitsamt. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich dahin geraten war; möglicherweise hat mir jemand empfohlen, dass dort auch „Beratungen“ angeboten werden. Die Dame war ganz nett und nahm mich in einen extra Beratungsraum, mit Sofa und Sessel ausgestattet, zum vertraulichen Gespräch. Sie erzählte mir in dieser Wohnzimmeratmosphäre wie schädlich regelmäßiger Alkoholkonsum sei. Dabei rauchte sie eine Zigarette nach der anderen. Damals war das Rauchen in Gebäuden noch erlaubt. Nach einer Dreiviertelstunde ohne verbindliche Absprachen oder einer weiteren Verabredung, stand ich wieder auf dem Parkplatz und ärgerte mich über die vertane Zeit. Eine Süchtige will mir was über Sucht erzählen. Na danke…
Mit Ende zwanzig war ich bei einem älteren Herrn in der Suchtberatung der Diakonie. Ich fragte ihn unter anderem nach Selbsthilfegruppen. Da hat er mich junge Frau offensichtlich nicht gesehen, zumindest hat mir direkt von abgeraten. Für ihn war in meinem Fall kontrolliertes Trinken die Lösung des „Problemchens“. Ich ging alle drei Wochen hin, um festzustellen, dass ich die verabredeten Trinkmengen immer überschritten hatte, was er aber immer relativierte und offensichtlich nicht besonders schlimm fand. Parallel fing ich aus anderen Gründen eine Therapie an und er übergab den Staffelstab an meine Therapeutin.
Die hat mir dann tatsächlich auch auf den Kopf zugesagt, dass sie mir ansehen würde, dass ich ein Alkoholproblem hätte – was mich dann doch empörte. Ja, ich vertrug Alkohol nicht gut, aber ich sah mich sicherlich nicht als Alkoholiker. Na gut, sie hatte mich zumindest nach eineinhalb Jahren soweit, dass ich dann ein alkoholfreies Jahr begann. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich bei mir auch der Wunsch nach einem Baby manifestiert und so wurden dann aus einem alkoholfreiem Jahr dank Schwangerschaften und Stillzeiten etwa 5 Jahre ohne Alkohol – und zwar ohne Probleme. Mir fehlte nichts und der Verzicht war kein Verzicht, sondern eine Selbstverständlichkeit.
Nach dieser langen Abstinenzphase fühlte ich mich sicher genug, das Eis wieder zu betreten. Immerhin sollte sich der Körper nach dieser Zeit komplett erholt haben, mein Leben - und ich dachte auch meine Persönlichkeit - hatten sich sehr verändert. Nach dem Abstillen genoss ich also mal wieder ein Bier oder einen Glühwein, doch es dauerte nicht lange, bis der Alkohol wieder zu einer echt lästigen Gewohnheit wurde.
Ich erzählte irgendwann einer Freundin, dass ich mir Sorgen mache über meinen Konsum. Sie wischte das weg, vermutlich ihren eigenen Alkoholiker-Vater vor Augen, und ich ließ mich damit zu gerne abspeisen. Doch unterschwellig wusste ich immer noch, das das Trinken nicht gut für mich ist.
Irgendwann poppte die Werbung der Alkoholfrei-Challenge auf und ich ergriff die Gelegenheit. Und was Erstaunliches passierte: Aus der 90-Tages-Challenge wurde auf einmal die Entscheidung für komplette Alkoholfreiheit. Relativ leicht.
Warum hat es auf einmal geklappt, ein Problem zu lösen, das mich schon seit zwanzig Jahren begleitet hat?
-
Ich wurde ernst genommen!
Ärzte und Suchtberater haben mich nicht mit meinem Konsum ernst genommen, weil ich nicht dem Klischee entspreche. In der Challenge habe ich ganz viele „normale“ Menschen kennengelernt, die nicht körperlich abhängig waren, aber genau wie ich unter dem Konsum litten.
-
Ich war nicht allein!
In der Community konnte ich mich jederzeit mit den anderen Challengern, den Betreuern und meinen Buddies austauschen – schriftlich oder persönlich. Es war schön, die Erfahrungen zu teilen und zu sehen, dass ich nicht alleine war. Inspirierend war es für mich auch zu sehen, wie andere Teilnehmer der Challenge auf einmal aufblühten ohne Alk.
-
Ich habe endlich verstanden, dass alles, was Alkohol mir verspricht, nur eine Illusion ist.
Die ganzen Informationen über Alkohol, die ich im Rahmen der Challenge bekam, und die nüchterne Auszeit und die Coaching-Impulse ließen mir endlich Raum, meinen Konsum zu reflektieren.
Ich bin froh, dass diese Odysee endlich ein Ende hat. Nun beginnt eine neue Reise für mich: Alle Gefühle und Erfahrungen, die ich bislang lieber mit Alkohol gedämpft habe, noch mal klar und nüchtern zu erleben.
Eure Corinna